Click Fraud Monitor

Privatinsolvenz in England oder Irland: Rechtsgrundlagen der Privatinsolvenzverfahren

Anerkennung der Restschuldbefreiung einer Insolvenz in England oder Insolvenz in Irland

Über die Rechtsgrundlagen könnte man Bibliotheken füllen und ganze Seminare veranstalten.

Wir starten aber direkt mit den für Sie wichtigsten Fragen:

  • Ist die Insolvenz in England oder Irland legal und wird die in der englischen oder irischen  Insolvenz erteilte Restschuldbefreiung in Deutschland/Österreich anerkannt?

  • Bin ich also nach dem Ablauf der 12 Monate wirklich vor Pfändungen geschützt?
  • Und gilt dies auch noch für die Insolvenz in England falls England im Rahmen einen möglichen Brexit die EU verlassen würde?

 

Privatinsolvenz in England oder  Irland: Anerkennung der Restschuldbefreiung gesetzlich garantiert

Entscheidendes Ziel und Wirkung ist die Anerkennung des englischen oder irländischen Insolvenzverfahrens -insbesondere der erhaltenen Restschuldbefreiung- in Deutschland oder Österreich.

Nachfolgend erhalten Sie einen fachlichen Überblick über die rechtliche Situation in Deutschland und Österreich auf Basis der jeweiligen Gesetzeslage und der aktuellen Rechtsprechung der höchsten Gerichte. (Vergessen Sie daher die oft wirren Ansichten, die leider überall im Internet bei Amateuren und bei zwielichtigen Anbietern zu lesen sind).

1. Generelle Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens in Deutschland und Österreich

Nach § 343 InsO (deutsche Insolvenzordnung)) und § 240 IO (österreichische Insolvenzordnung) (ist ein rechtmäßig eröffnetes ausländisches Insolvenzverfahren anzuerkennen, wenn

1. die Gerichte des Staates der Verfahrenseröffnung nach deutschem /österreichischem Recht zuständig sind. Die ist dann der Fall, wenn der Lebensmittelpunkt (COMI) tatsächlich im Eröffnungs- Staat liegt.

2. das Verfahren nicht gegen die deutsche/österreichische Rechtsordnung verstößt, was nach höchster Rechtsprechung ohnehin nie der Fall bei diesem Privatinsolvenz-Verfahren ist (siehe unten „ordre public“)

Infolge dieser grundlegenden Bestimmung ist auch nach einem möglichen Austritt England die dort erhaltene Restschuldbefreiung aus England zwingend anzuerkennen.

Denn die Vorschrift des § 343 InsO /§ 240 IO ist gerade nicht an eine EU Mitgliedschaft gebunden sondern gilt für alle mit Deutschland oder Österreich vergleichbaren Insolvenzverfahren ganz unabhängig von der EU-Mitgliedschaft!

 Sehen Sie sich bei Interesse hierzu zur Vertiefung hierzu auch das Webinar von Dr. Wagner und Prof.Glees in unserem Newsletter an.

2. Spezifische Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens eines EU-Mitglieds im Rahmen der europäischen Insolvenzordnung (EUInsVO) (Automatismus)

Für EU Mitgliedsstaaten gilt i.V. m. Art 3 und Art 16 der EUInsVO (europäische Insolvenzordnung) allerdings zusätzlich noch eine automatisierte Anerkennungspflicht ohne Überprüfungs-Befugnis der Entscheidungen der Gerichte des Staates-hier also England oder Irland - in dem die Insolvenz eröffnet wurde.

Dies wird nachstehend ausführlich erläutert: Die Wirksamkeit einer bei der englischen/irischen Insolvenz vom englischen Gericht erteilten Restschuldbefreiung (Discharge) in Deutschland und Österreich beruht  auf der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), die in der Europäischen Union allgemeine Geltung hat, in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt (vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV), mithin auch in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich und natürlich auch in Großbritannien und Irland (vgl. den 32. Erwägungsgrund zur EuInsVO).

Durch diesen Anwendungsbereich, in den gemäß Art.2 Buchst. a EuInsVO auch die im Anhang A zur EuInsVO aufgeführte Privatinsolvenz in England und Irland fällt,  wird unter diesen Voraussetzungen das deutsche und österreichische internationale Insolvenzrecht verdrängt bzw. dem EU -Recht unterstellt (vgl. den 23. Erwägungsgrund zur EuInsVO).

Der Beschluss eines englischen oder irischen Gerichtes über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Bankruptcy Order) ist in Deutschland und Österreich gemäß Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO anzuerkennen. Die Eröffnung eines Privatinsolvenz-Verfahrens durch ein nach Art. 3 EuInsVO zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats wird in allen übrigen Mitgliedstaaten anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist.

Die dem Schuldner vom englischen/irischen Gericht ausgestellte Bescheinigung über die Restschuldbefreiung (Certificate of Discharge) ist danach ebenfalls anzuerkennen. Denn gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 1 EulnsVO werden die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen eines Gerichts, dessen Eröffnungsentscheidung nach Art. 16 EuInsVO anerkannt wird, ebenfalls ohne weitere Förmlichkeiten anerkannt. Eine separate Bescheinigung ist rechtlich nicht nötig, wenn auch oft zu Beweiszwecken hilfreich, da die Gerichtsentscheidung rechtlich Ihre Restschuldbefreiungswirkung in Deutschland und Österreich per se entfaltet.

Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedsstaaten

Die deutschen oder österreichischen Gerichte dürfen nicht von sich aus weiter nachforschen, ob die Voraussetzungen gemäß Art. 26 EuInsVO vorliegen, um der Entscheidung eines englischen Gerichtes die Anerkennung versagen zu können.

In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO dahin auszulegen ist, dass das von einem Gericht eines Mitgliedstaats eröffnete Insolvenz-verfahren von den Gerichten der übrigen Mitglied¬staaten anzuerkennen ist, ohne dass diese die Zuständigkeit des Gerichts des Eröff¬nungsstaates überprüfen können (EuGH, Urt. v. 2. Mai 2006 - C-341104, Eurofood - Rn. 38 bis 44, Tenor Nr. 2).

Nachdem ein englisches/irisches Gericht durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Restschuldbefreiung des Schuldners seine Zuständigkeit angenommen hat, ist es einem deutschen oder österreichischen Gericht deshalb grundsätzlich verwehrt, durch entsprechende Beweiserhebungen, insbesondere durch Beiziehung der englischen/irischen Insolvenzakten, zu prüfen, ob der Schuldner gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO in Großbritannien den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hatte.

Das deutsche oder österreichische Gericht muss die vom englischen Gericht gemäß Art. 3 EuInsVO angenommene Zuständigkeit für das Insolvenzverfahren vielmehr „automatisch“ anerkennen. Die Pflicht zur Anerkennung der vom Gericht des Eröffnungsstaates für sich in Anspruch genommenen Zuständigkeit gemäß Art. 3 EuInsVO stützt sich auf den im 22. Erwägungsgrund zur EuInsVO niedergelegten Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedsstaaten, deren Gerichte deshalb grundsätzlich auch darauf vertrauen können, dass das Gericht des Eröffnungsstaates vor Annahme seiner Zuständigkeit die Voraussetzungen des Art. 3 EuInsVO ordnungsgemäß geprüft hat (Urt. v. 2. Mai 2006 a. a. 0. Rn. 39 bis 41).

Für das Insolvenzverfahren gilt das Recht des Staates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird (Art. 4. Abs. 1 EuInsVO). Ist für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein englisches Gericht zuständig, gelten für das Insolvenzverfahren die englischen Insolvenzregeln (InsolvencyAct 1986 und InsolvencyRules 1986 i.V.m. EnterpriseAct 2002).

Das englische Gericht ist für das Insolvenzverfahren zuständig, wenn der Kandidat sowohl den Schwerpunkt seiner wirtschaftlichen und privaten Interessen und damit seinen Lebensmittelpunkt in England nachweisen kann.

Aufgrund der EuInsVO müssen deutsche Gerichte die Gerichtsbeschlüsse der anderen EU-Länder zur Schuldenbefreiung seit einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2001 bedingungslos anerkennen.

So, damit haben wir das Resultat schon einmal an den Anfang der ausführlichen, nachfolgenden Gesetzes-Erläuterung gestellt.

Insofern brauchen Sie eigentlich gar nicht mehr weiter zu lesen !

Sondern rufen Sie uns am besten direkt persönlich an und lassen Sie sich kostenfrei Ihre individuelle Situation erläutern.

Wenn Sie sich aber für die Vertiefung dieser Ausführungen interessieren, dann lesen Sie im Weiteren nach, was deutsche und österreichische Gerichte konkret  zu diesen Fragen  entschieden haben.

 

Entscheidungen deutscher und österreichischer Gerichte 

Hierzu stellen wir die aktuellste Entscheidung des Landgerichtes Trier von 2013 an den Anfang.

... es ist kein Verstoß gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist,

... wenn ein Schuldner seinen Wohnsitz in das Vereinigte Königreich verlegt, um dort in dem dafür vorgesehenen geordneten rechtsstaatlichen Verfahren eine Restschuldbefreiung zu erlangen.

Das Gericht hat hier Klartext gesprochen, der keiner weiteren Erläuterung bedarf:    


Aktuelles Urteil des Landgerichtes Trier:

  • ... zur Sicherheit und Rechtmäßigkeit einer gezielten Beratung zur Durchführung einer Insolvenz in England und
  • ... der dazu notwendigen Verlegung des Lebensmittelpunktes nach England.

Hierzu kurz der Tatbestand des Urteils:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Restschuldbefreiung, die dem Kläger in einem britischen Insolvenzverfahren erteilt worden ist.

Am 29. August 2012 erwirkte der Schuldner ein Certificate of Discharge des High Court of Justice in London. 

Der Schuldner beantragt, dass diese legale Restschuldbefreiung einer Zwangsvollstreckung in sein Vermögen entgegensteht.

Die Sparkasse - die Gläubigerin - beantragt, das englische Verfahren sei funktionell mit dem deutschen Verfahren nicht vergleichbar. In dem Verfahren sei ihr kein rechtliches Gehör gewährt worden. Die Restschuldbefreiung nach englischem Recht könne wegen eines Verstoßes gegen den ordre public nicht anerkannt werden. Der Kläger habe seinen Wohnsitz rechtsmissbräuchlich ins Ausland verlegt. Dass der Kläger dort tatsächlich gewohnt hat, bestreitet die Sparkasse.

Die Kammer des Landgerichtes Trier urteilte in diesem Fall unmissverständlich, dass

... es kein Verstoß gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist,

... wenn ein Schuldner seinen Wohnsitz in das Vereinigte Königreich verlegt, um dort in dem dafür vorgesehenen geordneten rechtsstaatlichen Verfahren eine Restschuldbefreiung zu erlangen.

„Die Möglichkeit, sich als natürliche Person im Anschluss an ein Insolvenzverfahren von seinen Verbindlichkeiten befreien zu lassen, ist Bestandteil auch des deutschen Rechts.

Es gehört zu den im europäischen Gemeinschaftsrecht verankerten Grundfreiheiten, innerhalb der Europäischen Union den Wohn- oder Geschäftssitz frei wählen zu dürfen.

Im Steuerrecht ist anerkannt, dass juristische und natürliche Personen die Vorteile ausnutzen dürfen, die sich für sie durch die Verlegung ihres Wohn- oder Firmensitzes ins Ausland ergeben, solange sie sich dabei an die bestehenden Gesetze und internationalen Abkommen halten.

Unternehmen und Privatpersonen bemühen sich auch im geschäftlichen Umgang miteinander zunehmend darum, die Voraussetzungen einer für sie günstigen Rechtswahl zu schaffen. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum ausgerechnet an einen Schuldner privatrechtlicher Forderungen, der für sich eine Befreiung von seinen Verbindlichkeiten anstrebt, andere Anforderungen zu stellen sein sollen.

Daran ändert es auch nichts, wenn sich der Kläger dabei fachkundig hat beraten lassen.

Auch insofern sieht die Kammer durchaus Parallelen zu einer Steuerberatung oder auch zu einer Anlageberatung. Rechtsmissbräuchlich wäre das Vorgehen eines Schuldners, wenn er seinen Wohnsitz im Vereinigten Königreich nur vorgetäuscht hätte, um dort die Restschuldbefreiung zu erlangen." 

Lesen Sie das Original-Urteil des Landgerichts Trier vom 02.05.2013, Aktenzeichen 5 O 247/12! 

So, damit haben wir das Resultat schon einmal an den Anfang der ausführlichen, nachfolgenden Gesetzes-Erläuterung gestellt.

Insofern brauchen Sie eigentlich gar nicht mehr weiter zu lesen !

Jedoch kann und sollte sich jeder unserer Mandanten bei Interesse nachfolgend im Detail informieren können:

  • Was zu dem Urteil die Rechtsgrundlagen sind?
  • Wie dies alles in die europäische Insolvenzordnung eingebettet ist?
  • Welches die weiteren, bahnbrechenden Entscheidungen noch sehr viel höherere Gerichte - wie der BGH oder des EuGH - sind, die gleichlautend zu dem voran gestellten Urteil des Landgerichtes Trier geurteilt haben?

Im Kapitel "Insolvenzverfahren in England: So funktioniert es!"  hatten wir schon die wichtigsten Grundlagen und deren Anwendungen geschildert.

Mehr zu den aktuellen Anwendungen und rechtlichen Details finden Sie auch im Kapitel Blog & Presse/Forum, wo wir aktuelle Gesetzesauslegungen und sehr umfangreiche Erläuterungen zur Rechtssituation und deren aktueller Entwicklung geben.

Rufen Sie uns bitte bei allen Fragen im Zweifel jederzeit und kostenfrei an, damit wir Ihnen alles erläutern können für Ihren speziellen Fall, ehe Sie sich selbst den Kopf zerbrechen und am Ende gar zu falschen Schlussfolgerungen kommen.

Weitere Gerichtsurteile

Für die Interessenten, die es ganz genau wissen wollen, haben wir nachfolgend weitere wichtige Urteile besprochen.

 Nach Art. 15 EuInsVO gilt für die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse ausschliesslich das Recht des Mitgliedsstaates, in dem der Rechtsstreit anhängig ist. Die vorgenannten gesetzlichen Grundlagen werden von den österreichischen und deutschen Gerichten genauso umgesetzt. So hat beispielsweise der Deutsche Bundesgerichtshof im Beschluss vom 18.9.2001,  Aktenzeichen: IX ZB 51/00, geurteilt - siehe unten -,  dass – wenn sich ein deutscher Staatsangehöriger ins Ausland begibt und sich dort einem Verfahren zur Restschuldbefreiung unterwirft, welches den Regelungen der deutschen Insolvenzordnung grundsätzlich entspricht (und dies gilt für das englische Insolvenzrecht) – eine dort erteilte Restschuldbefreiung auch in Deutschland anzuerkennen ist, selbst wenn die Fristen zur Restschuldbefreiung kürzer sind als in Deutschland. 

 

Aktuell hat das Landgericht  Mosbach am 17.01.2014 erneut  und eindeutig entschieden, dass die erteilte  Restschuldbefreiung eines englischen Gerichtes automatisch ohne inhaltliche Überprüfung anzuerkennen ist:

...So ist im Rahmen des Art.16 EUInsVO die Entscheidungszuständigkeit des eröffnenden Gerichtes -(also des englischen )- nicht zu überprüfen.

Insoweit wird dem Art. 16 als Kernstück der EUInsVo Rechnung getragen, die automatische Anerkennung ohne inhaltliche Überprüfungskompetenz der Zuständigkeit ist Ausdruck des zwischen den Mitgliedsstaaten bestehenden Grundsatz des Gemeinschaftsvertrauens (FK-InsolWenner/Schuster Anh.1 Art. 16 Rn. 1, 7; Pannen-Pannen/Riedmann Art.16; EUInsVO Rn. 15; EuGH 2.5.2006 C-341/04).

Dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens liegt zugrunde, dass das Gericht eines Mitgliedstaates, bei dem Antrag auf Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens anhängig gemacht wird, seine Zuständigkeit im Hinblick auf Art. 3 I EUInsVO überprüft.

Würde den anderen Mitgliedsstaaten ein Instrument der zweitstaatlichen Überprüfungsmöglichkeit zugesprochen, so stünde das im Widerspruch zum Willen des Verordnungsgebers, durch das schon aus der Entstehungsgeschichte der Verordnung ableitbare Prioritätsprinzip Rechtssicherheit zu schaffen.


(LG Mosbach AZ, 5 T 62/13)

Nach englischem Insolvenzrecht erfolgt eine Restschuldbefreiung automatisch nach 12 Monaten, sofern der Schuldner in dieser Zeit seinen Verpflichtungen nachgekommen ist.

Grundlage für die dann auch in Deutschland anzuerkennende Restschuldbefreiung nach 12 Monaten bildet die EU-Rechtsprechung und der BGH-Beschluss vom 18.9.2001, Aktenzeichen: IX ZB 51/00. Der Leitsatz des BGH-Beschusses lautet:

"Wenn sich ein deutscher Staatsangehöriger ins Ausland begibt und sich dort einem Verfahren zur Restschuldbefreiung unterwirft, welches den Regelungen der deutschen InsO, insbesondere in Bezug auf die Vermögensverwertung, grundsätzlich entspricht, so ist eine dort erteilte Restschuldbefreiung auch im Inland anzuerkennen. Die im Ausland (hier: England) geltenden Fristen zur Erlangung der Restschuldbefreiung müssen nicht den relativ langen Fristen der deutschen InsO entsprechen."
BGH, Beschluss vom 18.9.2001 - IX ZB 51/00

Gleiches gilt selbstverständlich auch in Österreich.

Mit einer Verlegung des ursprünglichen Mittelpunktes der hauptsächlichen wirtschaftlichen und privaten Interessen einer natürlichen Person im europäischen Rechtsraum/Binnenmarkt ist stets zu rechnen - der COMI muss für Dritte objektiv erkennbar sein 
 

High Court of Justice, London

Art. 3 EuInsVO 1/10 EuInsVO Art. 3 Abs. 1 High Court of Justice London EWiR Art. 3 EuInsVO 1/10, 563 (Knof)

Leitsätze: 

1. Die Vermutung nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EuInsVO, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist, kann nur durch objektive und für Dritte feststellbare Elemente widerlegt werden. 

2. Hintergrund dieser Auslegung ist, dass es den Gläubigern möglich sein muss, den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Gesellschaft anhand objektiver, für sie erkennbaren Kriterien einzuschätzen. Dabei kann dem Ort, an dem die Verhandlungen mit den Gläubigern über eine Restrukturierung der Gesellschaft geführt werden, maßgebliche Bedeutung zukommen.

3. In einem europäischen Rechtsraum, der sich die Errichtung eines gemeinsamen Binnenmarktes zum Ziel gesetzt hat, ist stets damit zu rechnen, dass eine juristische oder natürliche Person ihren ursprünglichen Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen verlegt bzw. entgegen der Vermutung nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EuInsVO verändert.

High Court of Justice London, Urt. v. 26.11.2009 – [2009] EWHC 3199 (Ch) 

Anerkennung/Wirkung der englischen Restschuldbefreiung (Effect of discharge)

Die Wirkung der englischen Restschuldbefreiung gegenüber deutschen Gläubigern ist gesetzlich (EG-Insolvenzordnung) und höchstrichterlich abgesichert. Voraussetzung ist, dass das Verfahren legal durchlaufen wurde, wofür England-Insolvenz.com seinen Mandanten zur Seite steht.

Gemäß Art. 17, 25 EuInsVO muß eine in England erteilte Restschuldbefreiung ohne weitere Förmlichkeiten anerkannt werden (Euro-Insolvenz). Eine Überprüfung, ob das englische Gericht seine Zuständigkeit fehlerhaft angenommen hat oder ob der Schuldner dessen Zuständigkeit sogar erschlichen hat, soll nicht stattfinden 

EU-Erwägungsgrund 22 der VO (EG) Nr. 1346/2000: 
 
"In dieser Verordnung sollte die unmittelbare Anerkennung von Entscheidungen über die Eröffnung, die Abwicklung und die Beendigung der in ihren Geltungsbereich fallenden Insolvenzverfahren sowie von Entscheidungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen lnsolvenzverfahren ergehen, vorgesehen werden. Die automatische Anerkennung sollte zur Folge haben, dass die Wirkungen, die das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung dem Verfahren beilegt, auf alle übrigen Mitgliedstaaten ausgedehnt werden. Die Anerkennung der Entscheidungen der Gerichte der Mitgliedstaaten sollte sich auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens stützen. Die zulässigen Gründe für eine Nichtanerkennung sollten daher auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt sein. ...“

Deutsche Gerichte versuchen zeitweilig, über einen Verstoß gegen Art. 26 EuInsVO (Ordre de Public) die Rechtmäßigkeit auszuhebeln. Da dieser Art. 26 jedoch einen Ausnahmetatbestand für gravierende Ausnahmefälle im Zusammenhang mit Verstößen gegen das deutsche Grundgesetz und die öffentliche Ordnung betrifft, ist seine Anwendung im Zusammenhang mit der dem deutschen Verbraucher-Insolvenzrecht fast strukturgleichen Insolvenz in England völlig abwegig.

Entsprechende Entscheidungen in diesem Sinne zur Anerkennung der englischen Restschuldbefreiung in Deutschland sind in aktuellen Urteilen hoher Gerichte in Deutschland auch in 2013 bestätigt worden

A) OLG Köln · Urteil vom 28. Februar 2013 · Az.: 18 U 298/11 

Hier ein Auszug aus dem sehr langen Urteil. Das OLG Köln erkennt die Rechtswirksamkeit der englischen Restschuldbefreiung ausdrücklich an und "kassiert" damit kritische Urteile anderer hoher Gerichte, die die EU-Insolvenzregelung gerne aushebeln möchten:

"ee) Dem mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG stehen auch nicht das seitens des Beklagten vorgelegte Certificate of Discharge und eine daraus folgende Restschuldbefreiung entgegen. Der Senat hält (....) an seiner bereits dem Hinweis vom 3. Juli 2012 (vgl. Bl. 622 ff. GA) zugrunde liegenden Auffassung fest, 

- dass die Prüfung auch der örtlichen Zuständigkeit durch das (englische) Insolvenzgericht grundsätzlich verbindlich ist und 

- diesbezügliche Mängel ebensowenig im Wege eines Verstoßes gegen den nationalen (deutschen) ordre public geltend gemacht werden können (vgl. dazu auch OLG Brandenburg, Zwischenurt. v. 25. Mai 2011 - 13 U 100/07 -, juris Rn. 6 ff; OLG Nürnberg, Beschl. v. 15. Dezember 2011 - 1 U 2/11 -).

B) VG Leipzig ausführlich (juris Rn. 10 f. sowie Vallender in: EWiR 2011, S. 775 auch aktuell vom VG Leipzig): 

Auszug aus dem Urteil VG Leipzig, 13.9.2011 - 6 K 86/08, §§ 335, 343 InsO; Art. 3, 26 EuInsVO

Anerkennung des englischen Insolvenzverfahrens in Deutschland 

"... 2. Die zulässige Leistungsklage hat keinen Erfolg. 

Aufgrund der dem Beklagten durch Beschluss des High Court of Justice vom 27.2.2009 erteilten Restschuldbefreiung (discharge) kann die Klägerin Ansprüche gegen den Beklagten nicht mehr geltend machen

2.1. Die dem Beklagten in England erteilte Restschuldbefreiung hat gegenüber der Klägerin schuldbefreiende Wirkung. Gemäß § 335 InsO unterliegt das Insolvenzverfahren von der Eröffnung bis zur Beendigung dem Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet worden ist (sog. lex fori concursus). Demnach bestimmt sich die Wirkung einer im Ausland erteilten Restschuldbefreiung nach dem Recht des Staats, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. 

Nach dem englischen Recht wird der Schuldner durch die Restschuldbefreiung grundsätzlich von allen Forderungen befreit, denen er zum Zeitpunkt des Erlasses des Insolvenzeröffnungsbeschlusses (bankruptcy order) ausgesetzt war (vgl. Sektion 281 Abs. 1, Sektion 282 Abs. 1 Insolvency Act. 1986). Dies gilt für alle Schulden, die bis zu diesem Zeitpunkt rechtlich entstanden sind, unabhängig von ihrer Fälligkeit und unabhängig davon, ob die Forderungen angemeldet worden sind.

Im Unterschied zum deutschen Insolvenzrecht (§ 301 InsO), wo eine Restschuldbefreiung zur Entstehung einer unvollkommenen Verbindlichkeit führt, die weiterhin freiwillig erfüllbar, aber nicht erzwingbar ist (BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 205/06 – zit. nach juris), gehen Verbindlichkeiten nach englischem Insolvenzrecht endgültig unter (vgl. Sektion 281 Abs. 1, Sektion 282 Abs. 1 Insolvency Act. 1986). 

Unabhängig davon, ob die Klägerin ihre Forderungen im englischen Insolvenzverfahren angemeldet hat, waren sie zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 20.5.2008 bereits entstanden. Sie sind daher jedenfalls infolge der Entschuldungswirkung der Restschuldbefreiung nicht mehr gerichtlich durchsetzbar (OLG Brandenburg, Urt. v. 25.5.2011 – 13 U 100/07 -, zit. nach juris).

2.2. Diese Entschuldungswirkung der dem Beklagten in England erteilten Restschuldbefreiung ist nach den Regelungen im Elften Teil der Insolvenzordnung über das Internationale Insolvenzrecht auch in Deutschland anzuerkennen. Gemäß § 343 InsO werden die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens (Abs. 1) sowie die Entscheidungen, die zur Durchführung oder Beendigung des anerkannten Insolvenzverfahrens ergangen sind (Abs. 2), in Deutschland anerkannt. Damit wird die grundsätzliche Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren vorgeschrieben und eine ausländische hoheitliche Entscheidung im Inland für verbindlich erklärt. Diese grundsätzliche Anerkennung der englischen Restschuldbefreiung ist auch hier verbindlich.

Die Anerkennung darf nur versagt werden, wenn die Gerichte des Staates der Verfahrenseröffnung nach deutschem Recht nicht zuständig sind (§ 343 Abs. 1 Ziff. 1 InsO; Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO) und soweit die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere, soweit sie mit den Grundrechten unvereinbar ist – sog. ordre public -(§ 343 Abs. 1 Ziff. 2 InsO; Art. 26 EuInsVO). 

Das englische Insolvenzgericht war für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig. Ein ausländisches Insolvenzgericht ist zuständig, wenn der Schuldner gemäß Art. 3 Abs. 1 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Gebiet dieses Verfahrensstaates hat. Den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen bestimmt der allgemeine Gerichtsstand. Diesen bildet bei natürlichen Personen der Wohnsitzgerichtsstand, der sich wiederum nach der ständigen Niederlassung und dem Lebensmittelpunkt entscheidet. Der Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung überzeugend erklärt, im Jahr 2006 arbeitsbedingt nach England gegangen zu sein und im Jahr 2007 seinen Wohnsitz dorthin verlegt zu haben. Dementsprechend meldete er sich in Deutschland am 30.8.2007 ab. Danach befand sich der Schwerpunkt des Lebens des Beklagten in England und somit war das englische Insolvenzgericht zuständig. 

Ein Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung (sog. ordre public) ist nicht gegeben. Die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens und darin ergehender Entscheidungen darf danach nicht zu einem Ergebnis führen, das mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar ist (Art. 26 EuInsVO). 

So kann die Verlegung eines Wohnsitzes ins Ausland dann rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Schuldner dies nur tut, um in den Genuss der Anwendung ausländischen Rechts zu kommen (sog. forum shopping). Die Klägerin hat jedoch den Wohnsitzwechsel des Beklagten weder in Frage gestellt, noch dessen Rechtsmissbräuchlichkeit gerügt. Auch für die Kammer sind Anhaltspunkte für eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht ersichtlich. 

Allein unter dem Gesichtspunkt, dass nach englischem Recht eine deutlich schnellere Restschuldbefreiung (nämlich automatisch nach 12 Monaten, ggf. auch eher) zu erreichen ist, kann ein Verstoß gegen die Ordre-Public-Klausel nicht angenommen werden. Die deutsche öffentliche Ordnung ist nur verletzt, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint (BGH, Beschl. v. 18.9.2001 – IX ZB 51/00 -zit. nach juris). 

Davon kann allein wegen der kürzeren Dauer der Wohlverhaltensphase nicht ausgegangen werden. Zwar bildet die siebenjährige Wohlverhaltensperiode nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§§ 287 Abs. 1 S. 1, 291 ff. InsO) eine wesentliche Erschwernis des deutschen Systems der Restschuldbefreiung. In welchem Umfang diese deutsche Regelung die Befriedigungsaussichten der Klägerin tatsächlich verbessert hätten, lässt sich aber nicht erkennen. 

Zudem hätte sich die Klägerin am Insolvenzverfahren in England beteiligen können. Unbeachtlich ist es auch, wenn der Beklagte über sein Vermögen in Deutschland (insbesondere über seine Grundstücke) im Insolvenzverfahren missverständliche Angaben gemacht haben sollte. Denn dieser Einwand wäre nach dem englischen Insolvenzrecht zu würdigen gewesen. Das englische Insolvenzgericht darf die Restschuldbefreiung von sich aus oder auf Antrag jederzeit widerrufen oder abändern, wenn ihm neue relevante Tatsachen bekannt werden (vgl. Sektion 375 Abs. 1 Insolvency Act. 1986). Weitere Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Ordre-Public-Klausel wurden weder vorgetragen noch sind diese ersichtlich." 

zurück zu: Rechtsgrundlagen in Deutschland/Österreich

zurück zu: Fragen & Antworten

zurück zu: Überblick für Schnellleser

 

 

Исходный текст


Real Time Web Analytics