Welche Sicherheit bietet mir die Privatinsolvenz in England?
Privatinsolvenz in England muss ohne Prüfung anerkannt werden
Das englische Insolvenzverfahren muss gemäß Art. 16 EuInsVO in den anderen Mitgliedsstaaten (mit Ausnahme Dänemarks) automatisch anerkannt werden.
Hat sich also das Gericht für die Eröffnungszuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO als zuständig erklärt, darf diese Zuständigkeit auch nicht mehr von den Gerichten in Deutschland überprüft werden.
"..die automatische Anerkennung der Privatinsolvenz in England ohne inhaltliche Prüfung... ist Ausdruck des zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Grundsatzes des Gemeinschaftsvertrauens... Alles andere stünde im Widerspruch zum Willen der der Europäischen Union, Rechtssicherheit zu schaffen. "
Von hohen europäischen Gerichten ist klargestellt worden, dass die deutschen Gerichte die Entscheidung des zuerst eröffnenden englischen Gerichtes anerkennen, ohne die vom englischen Gericht hinsichtlich der Zuständigkeit angestellte Beurteilung überprüfen zu können.
Aktuell hat das Landgericht Mosbach am 17.01.2014 erneut und eindeutig entschieden, dass die erteilte Restschuldbefreiung eines englischen Gerichtes automatisch ohne inhaltliche Überprüfung anzuerkennen ist:
...So ist im Rahmen des Art.16 EUInsVO die Entscheidungszuständigkeit des eröffnenden Gerichtes -(also des englischen )- nicht zu überprüfen.
Insoweit wird dem Art. 16 als Kernstück der EUInsVo Rechnung getragen, die automatische Anerkennung ohne inhaltliche Überprüfungskompetenz der Zuständigkeit ist Ausdruck des zwischen den Mitgliedsstaaten bestehenden Grundsatz des Gemeinschaftsvertrauens (FK-InsolWenner/Schuster Anh.1 Art. 16 Rn. 1, 7; Pannen-Pannen/Riedmann Art.16; EUInsVO Rn. 15; EuGH 2.5.2006 C-341/04).
Dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens liegt zugrunde, dass das Gericht eines Mitgliedstaates, bei dem Antrag auf Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens anhängig gemacht wird, seine Zuständigkeit im Hinblick auf Art. 3 I EUInsVO überprüft.
Würde den anderen Mitgliedsstaaten ein Instrument der zweitstaatlichen Überprüfungsmöglichkeit zugesprochen, so stünde das im Widerspruch zum Willen des Verordnungsgebers, durch das schon aus der Entstehungsgeschichte der Verordnung ableitbare Prioritätsprinzip Rechtssicherheit zu schaffen.
(LG Mosbach AZ, 5 T 62/13)
Nur wenn ein Betrug oder eine Täuschung/Erschleichung der internationalen Zuständigkeit bezüglich der Lebensmittelpunktverlegung nachgewiesen wird, ist das Verfahren missbräuchlich eröffnet worden und kann von Amts wegen durch das englische Gericht oder auf Veranlassung von Gläubigern nachträglich aufgehoben werden. Danach ist ein neues Hauptinsolvenzverfahren in einem anderen Mitgliedsstaat in Europa zulässig.
Die Eröffnungsentscheidung des englischen Gerichtes entfaltet gemäß Art. 17 Abs. 1 EuInsVO ihre Wirkung, ohne dass es hierfür irgendwelcher Förmlichkeiten bedürfte. Dies gilt insbesondere für die automatische Restschuldbefreiung (automatic discharge). Sie ist eine unmittelbare Folgewirkung der Eröffnungsentscheidung und ihre Rechtsfolgen erstrecken sich damit auch unmittelbar auf Deutschland/Österreich.
Für den Fall einer neuen Insolvenz des Schuldners ist allerdings im Anschluss an diese Restschuldbefreiung eine weitere Restschuldbefreiung auf Grundlage der jeweiligen nationalen Insolvenzordnung für einen Zeitraum von vielen Jahren versagt.
Zusammenfassend gilt also auch hier, dass in den allermeisten Fällen die englische Restschuldbefreiung als sicher und durch EU-Recht zwingend bestätigt gelten kann, sofern keine schwerwiegenden Missbrauchs- und Umgehungstatbestände von eifrigen Gläubigern vorgebracht werden können.
Hier setzen diese gerne an der "Zuständigkeitserschleichung" an, was heißt, dass der Lebensmittelpunkt nur vorgetäuscht wurde. Deshalb sind an die Grundkonstruktion (das set up) hohe Maßstäbe anzulegen, die von windigen Beratern und Winkeladvokaten gerne verharmlost werden. Da die englischen Gerichte – zumindest in London – aktuell fast kein Verfahren mehr annehmen, ohne vorher die deutschen Gläubiger gehört zu haben, ist die Wahrscheinlichkeit der nachträglichen Annullierung somit als äußerst gering anzusehen. In allen Problemfällen, die gerne von Anwälten dramatisiert werden, hatten die deutschen Schuldner gravierende Fehler im Sinne des Verfahrens gemacht und waren unprofessionell oder gar nicht begleitet worden.
Denn die hier geschilderte Rechtssicherheit ist nur bei professioneller und Rechtsfehler- freier Begleitung über das ganze Verfahren der England-Insolvenz gegeben.
Die geschilderten Voraussetzungen klingen auf den ersten Blick vielleicht einfach, bedürfen jedoch einer professionellen Komplettbetreuung von Spezialisten vor Ort, die täglich mit dieser Materie betraut sind und über entsprechende Erfahrungen in der englischen Gerichtspraxis verfügen. Wer glaubt, dies vom grünen Tisch aus Deutschland/Österreich machen zu können, wird sich bald in den Fallstricken der Justiz wiederfinden und scheitern.
Wir können an dieser Stelle diese Feinheiten und großen Ermessensspielräume im englischen Insolvenzverfahren nicht darlegen, aber jedem sollte klar sein:
Nur ein generalstabsmäßig geplantes und rechtssicher durchgeführtes Verfahren wird den entsprechenden Erfolg bringen. Gemessen an den Vorzügen, die dieses Verfahren mit sich bringt, sind die damit verbundenen Kosten in der Regel marginal.
Dennoch hält es einige Neunmalkluge trotz der für sie existentiellen Bedeutung nicht davon ab, es auf eigene Faust zu versuchen, um dann abgelehnt zu werden oder sich tatsächlich mit einer Annullierung rumschlagen zu müssen, die wesentlich höhere Kosten und einen extremen Zeitaufwand mit sich bringt.